Reitsportgemeinschaft Förste und Umgebung e. V.

Wissenswertes über das traditionelle Kranzreiten


Pferdehochburg

Zum Pfingstfest wird der Osteroder Ortsteil Förste im Süden Niedersachsens traditionell zur Pferdehochburg. Die beiden Traditionsfelder für Warm- und Kaltblut bilden derzeit den Rahmen fürs Kranzreiten. Mehrere  Gästefelder von Ponys, Haflinger/Norweger und Tinker/Friesen komplettieren das Ganze zu einer umfassenden Rennsportveranstaltung.

Ungesattelte Kaltblüter

Hauptattraktion ist das sogenannte „Traditionsfeld“ der Kaltblüter. Die Kolosse der Rennbahn werden nämlich  ungesattelt geritten. Sind die Titanen erst einmal in Fahrt, lassen sie die Erde beben….wenn nicht gerade das Verlangen nach frischem Gras oder eine volle Blase ein Hinderungsgrund sind! Beifall gibt es nicht nur für den Sieger, sondern auch für die weniger glücklichen Reiter, deren Rösser grundsätzlich etwas gegen Sonntagsarbeit haben und nicht laufen wollen. Die Kunst der Reiter, diese Pferde doch noch in Bewegung zu bringen, wird vom Publikum mit Anfeuerungsrufen und Beifall honoriert.

Hautnah

Wer live dabei ist, erlebt das Spektakel hautnah und ist dem Geschehen zum Greifen nahe. Wie in jedem Jahr findet das Kranzreiten am Pfingstsonntag auf der Jagewiese am Kiessee zwischen Förste und Eisdorf statt.

Text: ©Joachim Schwerthelm

Bilder: Petra Bordfeld

Traditionell endet der Schütt'nhoff mit dem Ehrentanz der Jagejungen und Jahemädchen unter der Eiche. Die Aufnahmen entstanden kurz davor.

Kranzreiten 1949

Das Kranzreiten in Förste hat bekanntlich eine  lange Tradition. Vor 65 Jahren war alles streng geregelt. Auswärtige durften nur außer Konkurrenz teilnehmen. Bereits damals gab es neben dem allseits bekannten Kaltblutrenn ein Starterfeld mit Warmblütern. Die ortsansässige Journalisten Petra Bordfeld berichtete 2009 rückblickend übers Warmblutrennen von 1949. 

(pb). Wenn am Pfingstsonntag, 31. Mai, der Boden der Jagewiese wieder unter den Hufen der Pferde erbebt, wird Gotthard Sauermann 60 Jahre zurück denken. Denn er und Helmut Brünaus Pferd Namens „Lux“ holten sich am Pfingstmontag 1949 den Siegerkranz der Erwachsenen – und das, obwohl der damals 19jährige kein gebürtiger Försteraner ist. Damals durften nur die Söhne von Förster Pferdebesitzern und in Förste arbeitende „Pferdeknechte“ die Siegerehren empfangen, auswärtige Teilnehmer starteten „außer Konkurrenz“. Da der junge Sauermann aber Lehrling auf dem Hof von August Binnewies war, erhielt er den Birkenkranz.

Sauermann erblickte 1930 in Schönbrunn, dem Ort der im Kreis Schweidnitz in Schlesien lag, das Licht der Welt. Dort hat er auch das Reiten auf den vom Vater gezüchteten Oldenburgern gelernt. Die Widernisse des Zweiten Weltkrieges führten ihn und seine Schwester Rosemarie nach Förste auf den Lehrhof von August Binnewies – dem heutigen Peinemannschen Hof in der Förster Straße 158. Sein landwirtschaftlicher Lehrchef Binnewies sagte zu dem jungen Mann aus Schönbrunn: „Das kannst du“, und meinte damit, die Teilnahme am zweiten Kranzreiten nach dem Krieg.

Damals war die Jagewiese übrigens noch nicht gegenüber dem Kiesschacht in der Eisdorfer Straße, sondern zwischen der Söse und der Straße nach Dorste gelegen. Während auf der neuen Jagewiese Runden galoppiert werden, war die alte Jagewiese eine gerade Stecke, die dreimal unter die Hufe genommen werden musste.  Auch wenn der aus Birkenzweigen geflochtene Siegerkranz längst nicht mehr besteht, erinnert sich Sauermann gerne und an die Zeit zurück.

Als Zuschauer war er in den vergangenen Jahrzehnten nicht selten anzutreffen, auch wenn er 1950 das letzte Mal in den Sattel zum Kranzreiten stieg. Denn 1951 pachtete er zusammen mit seinem aus der Gefangenschaft zurückgekehrten Vater einen 80 Morgen umfassenden Hof in Eisdorf. Diesen übernahm er 1964 und betrieb ihn bis 1974 im Vollerwerb. Danach war er bis zur Rente bei der Bundeswehr in Osterode als Zivilist tätig. (Fotos: privat)

 


Ältester schriftlicher Beleg stammt von 1593

Materielle Gewinne oder sonstigeVergünstigungen müssen sich die einheimischen Teilnehmer am nächsten Tag beim „Tollen“ mühevoll verdienen. In den frühen Morgenstunden ziehen Reiter und Pferde durch das Dorf, es wird Haus für Haus „getollt“: Unter lautstarkem Aufsagen des Spruchs wurden (früher) Lebensmittel zur eigenen Versorgung eingesammelt. Heute ist es mehr das Bargeld, welches den Teilnehmern das frühzeitige Aufstehen „versüßt“.  Der älteste schriftliche Beleg entstammt dem Oldeshäuser Familienarchiv und ist über 400 Jahre alt. Das beweist: Bereits damals wurde ersatzweise in bar bezahlt! Sinngemäß lautet der Eintrag in der Jahreshaushaltsrechnung: „Den 5. Juni (1593) wird den Jagejungen für ein ihnen zu Pfingsten zustehendes Quantum Schafskäse die Geldsumme von 3 Groschen bezahlt, zu welchem der Junker noch weitere 4 Groschen freiwillig hinzulegt„.

Kaltblut als Rennpferd

Zugegeben, seit Landgestüte und Rennbahnen das Kaltblutpferd für sich entdeckt haben, sind atypische Renneinlagen mit den schwerfällig wirkenden Riesen einem  Teil der Bevölkerung nicht mehr gänzlich unbekannt.  Doch in Förste  musste keine Marktlücke gesucht werden, schließlich wurde hier seit eh und je ein Kaltblutrennen ausgetragen. Die einzige große Veränderung vollzog sich Anfang der siebziger Jahre. Alleinansprüche auf einen Start bleiben nicht länger den männlichen Teilnehmern vorbehalten. Heute gibt eindeutig das weibliche Geschlecht den Ton an. 

Ältere Presseberichte

1974 war zu lesen:

Kranzreiten – Volksfest mit geschichtlich verankerten Tradition

Trotz des wenig freundlichen Wetters zog es auch in diesem Jahr überraschend viele Besucher zum Kranzreiten nach Förste. Kein Ereignis bringt so viele Autos mit selten gesehenen Kennzeichen in das Dorf. Es bleibt ein Verdienst des Förster Reitvereins, so viele „stinkende“  PS wenigstens für ein paar Stunden auf den Parkflächen festzuhalten, zugunsten einer Demonstration, die auch dem Unbefangenen eine Ahnung vermitteln mag, welche Rolle das Pferd im Leben des Menschen gespielt hat. Vielleicht heute die wichtigste Aufgabe des Reitsports, den treuen Dienern des Homo Sapiens einen neuen Lebensraum auch im umweltgeschärften Bewusstsein des Durchschnittsbürgers zu schaffen.

Gerade bei diesem in Niedersachsen einmaligen Ereignis fehlt manchmal der tierische Ernst des Leistungssports; im Gegenteil macht es nachgerade den Charme der Darbietung aus, macht sie im besten Sinne volkstümlich. Schon der Anmarsch zum „Rennplatz“  vollzieht sich nicht im sattsam bekannten Organisationsschema, sondern auf Tuchfühlung. Mit „Musike“ streben Aktive wie Zuschauer zum Veranstaltungsplatz. Man kennt den einen oder anderen, die Atmosphäre ist familiär…. Neben dem imposanten Feld der Kaltblutpferde, wo sähe man sonst noch so viele der einstmals wichtigsten Helfer in Feld und Wald beisammen, die das Hauptereignis bestritten, gab es mehrere Pony- und Warmblutrennen……

 

1975  hieß es:

Tausende wurden gestern in Förste Zeugen eines ungewöhnlichen Pferderennens. Für dieses seltene Erlebnis waren selbst Besucher aus dem Raum Göttingen und Braunschweig/Salzgitter nach Förste gekommen. …sieben Kaltblüter, die größten und schwersten Pferde, waren am Start. Ihr Rennen war Abschluss und Höhepunkt des Kranzreitens zugleich

 

Ursprung liegt über 1200 Jahre zurück

Historiker führen die Veranstaltung auf mittelalterliche Wehrtüchtigkeitsprüfungen zurück.

Die ältesten schriftlichen Belege sind knapp 450 Jahre alt. Vermutet wird, dass Kranzreiten alten Überlieferungen zu Folge auf die Zeit Heinrich I. um das Jahr 900 zurück zu führen sei. Ursprünglich diente es dem Zweck, die männliche Bevölkerung im Waffen- und Reiterdienst zu üben. Die Bedenken der letzten Jahre, dass Kranzreiten wegen des Pferdemangels aufgegeben werden müsse, sind vorerst ausgeräumt worden. Trotz Automatisierung hat das Pferdedorf Förste einen hohen Pferdebestand

Text: (C) Joachim Schwerthelm


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